In ungewollter Umgebung
Wir wechseln nicht viele Worte, als mich mein Vater von zu Hause abholt. Ich habe sofort meine Tasche geschnappt, die meine Mutter mir gepackt hat und bin runter, als es klingelte. Jetzt sitze ich neben ihm im Auto. Ein tolles Auto. Ein 5er BMW. Ich wünschte, wir, Mama und ich, hätten so ein Auto und nicht den popligen weißen Polo. Mein Vater versucht Konversation zu betreiben, aber ich bin nicht besonders gesprächig. Erstmal habe ich keine Lust und dann fühle ich mich auch nicht wohl in seiner Gegenwart. Dafür ist er mir einfach irgendwie zu fremd. Außerdem schüchtert er mich ein, obwohl er das wahrscheinlich gar nicht beabsichtigt. Seine ganze Statur ist zu beeindruckend, oder vielleicht erdrückend, für mich. Er ist vier Jahre älter als Mama und richtig groß, ich glaube mindestens 1,85m oder so. Seine Haare sind superkurz, oben etwas länger als an den Seiten, und eine deutlich sichtbare Narbe verläuft unterhalb seines rechten Auges. Fehlt nur noch die Augenklappe! Mein Vater wirkt auch ziemlich sportlich, schlank mit sehr breiten Schultern. Ich würde mich nicht mit ihm kloppen wollen. Der BMW rast durch die Straßen der Stadt. Weil ich so ein Tempo mitten im Stadtverkehr nicht gewohnt bin, halte ich mich sicherheitshalber am Griff in der Beifahrertür fest.
„… und Schule?“
„Gut.“
Er nickt und schaut mich dann während der Fahrt an. „Concha kennst du aber noch!“
Himmel, guck nach Vorne!
„Weher?“
„Meine Alte!“
„Mama?“ Kann doch nicht sein, dass er die meint!
Er bestätigt: „Nicht die verlogene Kuh. Concha, meine Frau. Hast du doch kennengelernt, oder etwa nicht!?“
„Ne.“
„Was? Kann doch gar nicht sein“, stellt er sich ungläubig, als wenn ich spinnen würde.
Da kann man mal sehen, wie lange er sich schon nicht mehr für seinen Sohn interessiert!
„Ist Spanierin“, fügt er noch an.
„Hmhm.“ Das wundert mich nicht. Mein Vater ist selbst halber Spanier, obwohl er einen deutschen Vornamen hat, Christoph. Der Nachname wiederum ist spanisch, Martín – con acento en la I. Die Betonung liegt auf dem I. So viel ich weiß, hieß ich auch mal so, aber seit der Scheidung meiner Eltern bin ich ein Brian. Da war ich noch ganz klein.
„Schaff dir nie eine Spanierin an“, rät er. „Zu große Schnauze.“
Meint er das jetzt ernst?
„Aber sonst gibt es nichts Besseres“, widerspricht er sich dann. „Kocht gut und mault nicht bei der Hausarbeit.“
Aha!
„Aber zwei linke Hände. Wie alle Spanier. Faul wie nix, wenn sie richtig anpacken sollen. Wann warst du das letzte Mal in Spanien?“
„Gar nicht“, rutscht es aus mir raus. Irgendwie habe ich Galizien jetzt nicht dazu gezählt.
„Erzähl nix!“
„Ähm, weiß nicht“, verbessere ich mich. „War ich noch ganz klein.“
„Sach an! Schau dir dort die Straßen an, wie in Deutschland vor hundert Jahren. Wenn die eine Straße bauen sollen, stehen die den ganzen Tag auf der Schaufel gestützt am Straßenrand und glotzen Löcher in die Luft. Wenn sie nicht gerade Siesta halten. Ein unfähiges Pack.“
Galizien. Dort lebt meine andere Großmutter. Seit ich kaum oder eigentlich keinen Kontakt mehr mit meinem Vater habe, habe ich auch von ihr nichts mehr gehört. „Lebt Oma noch?“
„Der geht´s gut. Je mehr angebliche Krankheiten sie hat und darüber jaulen und klagen kann, umso besser geht´s ihr. Die würde sich freuen, dich mal wieder zu sehen.“ Mein Vater schaut mich an. „Wenn deine Haare kürzer wären.“
Ich schweige. Vielleicht sollte ich wirklich endlich mal zum Friseur … wenn das mein Vater so will.
„Du siehst aus wie ein Mädchen. Mach´s wie ich, Maschine, drüber“ – er macht eine Bewegung mit der Hand an seinem kurz geschorenem Kopf — „und fertig. Schnell und kostenlos.“
Ich weiß ja nicht!
–
Die Wohnung ist überraschend klein. Kleiner als unsere. Das Mobiliar wirkt bereits im Flur altbacken. Kauft sich mein Vater keine neuen Möbel? Der totale Gegensatz zum schicken Auto. Auch wenn es die Wohnung meines Vaters ist, sie wirkt unsagbar fremd auf mich.
Das wird sicher eine grauenhafte Woche! Was soll ich nur die ganze Zeit tun?
„HEY, CONCHA, BESUCH“, schreit mein Vater, als wir eintreten. Er trägt meine Tasche. Nett.
Eine dünne schwarzhaarige Frau kommt um die Ecke. Sie hält eine brennende Zigarette in ihrer rechten Hand und lächelt mich mit etwas zu großen Zähnen an, was aber auch an ihrem leicht ausgemergelten Gesicht liegen könnte. Blass blickt es mich neugierig an. „Ah, Rorri, du biest, Sí?“
Selber Biest!
Sie hält mir ihre linke Hand zur Begrüßung hin und drückt mir einen Schmatzer auf die Wange. „Encantado.“ Zigarettengeruch strömt aus ihrem Mund.
Würg!
Während sie mich jetzt genauer in Augenschein nimmt, legt sie den Kopf in den Nacken und zieht mit gespitzten Lippen genüsslich an ihrem Glimmstängel. „Haast du Huunger?“, haucht sie mir fragend den Rauch ins Gesicht.
„Nein.“ *Öchö*
„Ah, dooch, ein bieschen. Juungs haben immer Huunger. Komm.“
Grübelnd folge ich der Frau, die eigentlich so was wie meine Stiefmutter – nennt man das so? – sein muss. Was findet mein Vater nur an der? Mama sieht viel besser aus!
Concha steht mit Kippe in der Hand am Herd und wirft ein paar Schraubennudeln lieblos in einen Topf mit Wasser. „Nudeln magst du, sí?“ Danach nimmt sie die Zigarette in den Mund und öffnet eine sehr flache Dose. Gulasch. Wenig später steht das Essen auf dem Tisch. Sie hat das lauwarme Gulasch über die Schrauben gekippt. Es riecht gut und ich bekomme Appetit.
„Iss, du biest so düün“, fordert sie und drückt meinen Oberarm.
Selber dünn!
Zügig lege ich los, als mich die Frau wiederum betrachtet und an ihrer Fluppe zieht. „Schmeekt?“
Glücklicherweise sind die Nudeln heiß, so dass Gulasch vermischt mit Nudeln eine annehmbare Esstemperatur ergeben. „Joah“, antworte ich, als ich ein Stück Fleisch in den Mund stecke und sofort den ekelerregenden Glibber von Fett erschmecke. Ein ganzer Plocken wabbelt in meinem Mund.
Igitt! Was mache ich jetzt mal? Schlucken oder auf den Teller spucken?
Am liebsten würde ich ausspucken, aber gerade jetzt kommt mein Vater in die Küche und setzt sich mit an den Tisch. Ich wage es nicht und würge das Fett runter. Ist das ekelhaft! Danach bin ich wesentlich vorsichtiger beim Essen, kontrolliere jedes Bröckchen Fleisch und schiebe gefundenes Fett an den Tellerrand. Essen auf den Teller liegen zu lassen traue ich mich. Das ist nicht so schlimm, wie Zerkautes auszuspucken. Was würde da mein Vater sagen? Am Ende bleibt eine ganze Menge Fett übrig.
„Was ist damit?“ Mein Vater deutet auf die Glibberplocken.
„Das ist Fett.“
„Isst du das nicht?“
„Hä? Neee.“ Dämliche Frage! Natürlich nicht! So etwas isst doch niemand!
„Hör zu, Rory, du bist hier natürlich willkommen, aber deine Mutter hat mal wieder nicht nachgedacht. Ich werde kaum Zeit für dich haben. Diese Woche bin ich lange unterwegs. Wenn du etwas möchtest, fragst du Concha.“
„Sí“, stimmt die Erwähnte hinzu. „Du muust es nur cagen. Ockay?“
Ich schweige.
„Was hat eigentlich die Alte so erzählt?“ will mein Vater wissen und meint mit Sicherheit Mama.
„Nichts“, antworte ich schmollend, da mir die Art, wie er über meine Mutter spricht, noch weniger schmeckt als das Fett. Der soll nicht so über sie reden! Die war im Gegensatz zu ihm immer für mich da!
Wahrscheinlich merkt er, dass er mich verärgert, wenn er so über meine Mutter spricht und winkt ab. „Lassen wir das. Verlogen …“
„Lass den Juungen mit diesen Diengen“, schimpft Concha.
„Wenn´s stimmt“, wehrt sich mein Vater. „Ich habe dir doch alles über die erzählt.“
„Wann gehst du iens Bett?“ wendet sich Concha an mich und lenkt demonstrativ von diesem Thema ab.
Schulterzucken. „Verschieden.“
„Ich ceige dir, wo du schläfst“, erklärt sie und geht voran in ein Zimmer ohne Bett. In einem Sessel ist Bettzeug angehäuft.
Hä? Wo soll ich denn schlafen?
Concha verrät es, in dem sie an einer Schlaufe an der Schrankwand zieht und ein Klappbett zum Vorschein kommt. „Ich becieh es dir. Cieh du dich schon mal uum“, schlägt sie vor und zeigt auf meine Tasche, die neben der Heizung steht. Dann hantiert sie an einer Kommode herum.
Hoppla! Geh erst mal raus!
Zögernd öffne ich meine Tasche. Meine Mutter hat an einen frischen Schlafanzug gedacht. Ich krame ihn raus und schaue mich zu der Frau um.
Bleibt einfach im Zimmer!
Concha beachtet mich mit keinem Blick und holt ein großes weißes Laken aus einer Schublade.
Wenn nicht jetzt, dann nie!
Ratzfatz trete ich meine Schuhe von den Füßen, gucke und ziehe zügig die Jeans aus. Augenblicklich entschließe ich mich, die Unterhose anzubehalten und ziehe die Schlafanzughose einfach drüber. Mit nacktem Oberkörper drehe ich mich um. Das traue ich mich nun doch. Da gibt es ja auch nichts zu sehen. Concha lässt das Laken schwungvoll über die Matratze schweben. Sanft senkt es sich. Neben dem Bett stehend schaue ich mit hinter dem Rücken verschränkten Armen zu, wie sie eine Seite des Lakens unter die Matratze stopft. Dabei wirft sie mir einen merkwürdigen Blick zu. Bettbeziehend umkreist sie die Liegefläche, drängelt mich dabei aus dem Weg und glättet zum Schluss noch mal das Laken mit ihren Händen. Mit einem Schlag aufs Kopfkissen beendet sie ihre Arbeit, obwohl die Bettdecke noch fehlt.
„Co, leg dich hien!“
So ein Klappbett ist wirklich eine witzige Sache. Kenne ich noch nicht. Steckt einfach im Schrank! Ich freue mich regelrecht, es zu benutzen. Trotzdem fühle ich mich nackt, als ich ohne Bettdecke langgestreckt in meinem Hochwasserschlafanzug so auf der Matratze liege. Dann erst wirft Concha die Zudecke im hohen Bogen über mich. Der Wurf ist allerdings ziemlich schlampig. Mein Oberkörper samt Kopf verschwindet unter der Decke, während meine Füße unten rausgucken. Die Frau meines Vaters setzt sich aufs Bett und schiebt die Bettdecke tiefer, damit mein Gesicht erscheint. Wir gucken uns kurz an, dann wendet sie den Blick Richtung nackte Füße. Bevor ich die Decke tiefer strampeln und sie verbergen kann, fasst sie mich unerwartet an. Ruckartig ziehe ich die Füße ein.
„Biest du kitzelieg?“ fragt sie und greift unter der Decke weiter nach meinen Füßen.
„Ja, nicht, bin ich!“
Grinsend lässt sie von mir ab und beugt sich stattdessen vor, streicht mit einer Hand über meine Wange und küsst meine Stirn. Von ganz Nah sagt sie leise: „Ich hoffe, du fühlst diech wohl, Rorri.“ Wieder streicht sie über mein Gesicht. Etwas viel Zuneigung für meinen Geschmack. Dann drückt sie mir einen Kuss unterhalb meines linken Auges gegen die Seite meiner Nase auf.
Also, jetzt reicht´s aber!
Das tut es nicht. Ganz sanft berühren ihre Lippen mein Augenlid, das sich automatisch geschlossen hat, nachdem mein Auge das Unheil hat kommen sehen. Dann endlich lässt sie mich in Ruhe, schließt die Zimmertür aber nicht richtig, sondern lehnt sie nur an.
Meine Fresse! Scheiß Gelecke! Was sollte das denn?
Ich drehe mich auf die Seite, ziehe meine dünnen Beine an und versuche zu schlafen.
Hoffentlich geht die Woche schnell rum!
Dösend gehen mir allerlei Dinge durch den Kopf, so dass ich noch keinen Schlaf finde. Mir passt die ganze Situation nicht. Wie das meine Mutter wohl wiedergutmachen will? Wahrscheinlich denkt sie gar nicht daran, dass mich das alles ziemlich wurmen könnte. Das Mütter so sind! Überlegen die gar nicht, was sie ihren Kindern antun?
Wenigstens muss ich keine Zeitungen austragen! Wie mich das ankotzt!
Ja, das ist gut, sehr gut!
Ich kann relativ lange schlafen. Ist das super! Aus lauter Freude balle ich unter der Decke eine Hand zur Faust und hauche ich ein leises „Jaah“, was durch ein ebenso leises „Jaah“ erwidert wird. Verblüfft hebe ich den Kopf und gucke fragend die Wand an.
Geräusche.
Aus der Wand.
Verdächtige Geräusche.
Jemand … die … Iiiiihhhhh! Örg, mein Vater macht´s mit der Ableckerin. Ist das Widerlich!
*stöhn*
Können die das nicht leiser veranstalten? So was Ekelhaftes! Ich will die nicht beim Sex hören und schon gar nicht will ich mir das bildlich vorstellen müssen. Gar nicht so leicht, wenn die so laut sind. Okay, so richtig laut sind sie nicht, aber ich kann es eben hören und das genügt ja. Angenervt steige ich aus dem Bett und will die Tür richtig schließen. Im letzten Moment stoppe ich. Wenn ich jetzt die Tür schließe, bemerkt es vielleicht Concha und dann denkt sie vielleicht … ich hätte gelauscht. Oh, nein!
„Aah …“ *keuch*
Oh, Mann!
Notgedrungen höre ich hin. Vielleicht hören die ja auch gleich auf. Seltsamerweise ist es auch nur eine Frauenstimme, die den ´Krach` macht. Mein Vater scheint normal zu sein. Nichts von ihm zu hören.
„Du bist heute aber in Fahrt …“ Das ist er dann allerdings doch. „… aber gut!“ keucht er.
Zornig beiße ich die Zähne aufeinander. Verdammtes Rummachen! Ich lasse die Tür angelehnt und reiße mir die Decke über den Kopf. Man hört trotzdem noch was. Mist!
Erst als die Geräusche aufhören, ziehe ich die Decke wieder tiefer und strampele sie zurecht, damit auch meine Füße gleichmäßig bedeckt sind.
„Schläfst du noch niecht?“
Huch!
Concha steht im Zimmer. Die habe ich gar nicht kommen hören. Ihre Silhouette zeichnet sich deutlich im dunklen Zimmer ab, als sie sich nähert und abermals auf der Bettkante Platz nimmt.
Was will die denn noch? Sich entschuldigen für den Lärm?
„Kannst du niecht schlafen?“
„Doch.“
Lass mich bloß in Ruhe! Und fass mich nur nicht mit den Händen an, die wahrscheinlich gerade den Körper meines Vaters angegrabbelt haben! Den nackten Körper. Ich darf mir das einfach nicht vorstellen. Igitt!
„Bueno. Du collst diech hier wohl fühlen.“
Wenn du verschwindest!
„Sonst alles ockay?“
Ich nicke im Dunkeln, bin mir aber sicher, dass sie meine Kopfbewegung erkannt hat, genauso wie ich die von ihrer Hand. Sie streicht über die Bettdecke. Meine Augen verfolgen sie trotz Dunkelheit, bis sie genau über meinen Schritt stoppt. Glücklicherweise ist die Bettdecke dick genug, damit man nichts spürt. Wahrscheinlich bemerkt sie selbst nicht, wo sie ihre Hand angehalten hat. Ich halte die Luft an. Dann endlich erhebt sie sich wieder und drückt sich mit der Hand auf der Bettdecke ab. Der Druck auf mein Geschlechtsteil wird kurze Zeit so fest, dass ich automatisch zusammenzucke.
„Gute Nacht“, wünscht mir Concha.
„Nacht“, antworte ich leise und schiebe dabei fürsorglich meine Hände in die Schlafanzughose auf meine Genitalien. Alles heil geblieben!
–
Am nächsten Morgen werde ich mit einem sehr unguten Gefühl wach. Ich fühle mich ausgeschlafen und das ist gar nicht gut. Meine innere Uhr schlägt Alarm. Ich habe das ungute Gefühl, zu spät dran zu sein. Da ich keine echte Uhr habe, trotte ich im Schlafanzug aus meinem Zimmer, um mich zu vergewissern, wie spät es tatsächlich ist. Concha raucht in der Küche.
„Wie spät ist es?“
Als Antwort mustert mich die Frau meines Vaters von oben bis unten. „Du hast spät Schule, sí! Es iest halb Cehn.“
„Oh, Scheiße!“
„Was ´Scheiße`! Wie redest du, Chico?“
Es fällt heute kein Unterricht aus. Schulbeginn ist also um Acht. Ich bin viel zu spät dran. Dazu kommt noch, dass jetzt der Weg zur Schule von meinem Vaters Wohnung aus viel weiter ist. Ich muss Straßenbahn fahren. Ohne auf Concha einzugehen, kleide ich mich im rasendem Tempo ohne zu duschen an.
Weshalb hat die blöde Kuh mich nicht geweckt?
Mist!
Ist ja nicht meine Mutter!
Aber sie hätte sich das doch denken können! Sie hätte mal fragen können! Dumme Nuss!
Mittlerweile unsicher, ob es sich überhaupt noch lohnt, zur Schule zu fahren, schnappe ich mir meine halbleere Schultasche.
Concha stellt sich mir mit Fluppe in den Weg. „Du wäscht nicht?“
„Bin zu spät“, hechele ich. Und Fahrkarten habe ich auch keine. Grrr, meine Mutter ist Schuld!
„Was soll das heißen, du biest cu spät?“ empört sie sich irgendwie komischerweise.
„Hab verschlafen.“
„Warum hast du niechts gecagt?“
Hättest doch mal fragen können!
Es ärgert mich, dass sie das nicht getan hat, aber eigentlich ist es nicht ihre Schuld. Obwohl, eigentlich hätte sie ja … nein, es ist die Schuld meiner Mutter. Jetzt muss ich auch noch schwarz fahren. Oder soll ich Concha nach Geld fragen? Ne, lieber nicht!
„Was biest du für ein Juunge!“ zetert Concha theatralisch und gibt mir doch tatsächlich eine Kopfnuss. Die tut aber nicht weh, war wohl nur gespielt, und Concha schmunzelt auch leicht. „Wo iest die Schule. Ich fahre dich.“
–
Unterricht ab der vierten Stunde ist eigentlich klasse, aber gewollt war es nicht. Concha hat mit meinem Sozialkundelehrer geredet und alles ´erklärt`. Einerseits bin ich froh darüber, andererseits stand ich vor meiner Klasse da wie ein Trottel, als ob ich das nicht alleine hätte regeln können. Concha hat ganz schön gelogen.
„Wer war das denn?“ grätzt Sven, der vor mir sitzt.
„Geht dich nichts an.“
„Deine neue Freundin? Har, har.“
„Halt die Fresse.“
„Oder muss Mami dich zur Schule bringen?“
Wütend verpasse ich Svens Stuhl einen Tritt. Es knackt und krachend bricht er unter dem Gewicht des dicken Jungen zusammen. Die ganze Klasse lacht, auch ich, als sich Sven am Boden rumlümmelt und versucht, aufzustehen. Da er auf den Rücken liegt, sieht es anfangs sehr unbeholfen aus.
„Das dicke Schwein kommt nicht hoch“, lache ich laut. Zufrieden nehme ich wahr, dass meine Aktion ein riesiger Lacher ist. Maria bekommt leichten Schluckauf.
„Was ist denn da, bitte schön, lohos?“ jodelt Herr Fritz vom Pult aus.
„Das bekommst du wieder“, zischt mich Sven böse an, als er sich erhoben hat und ruft dann laut nach vorne: „Rory hat meinen Stuhl kaputt getreten.“
Als Herr Fritz meinen Namen vernimmt, er reckt neugierig seine Nase nach oben, steht er auf und schlawenzelt Po wackelnd zu mir. „Roorie, was soll das denn?“ fragt er und wedelt dabei mit seinen Armen.
Als ich ihn kommen sehe, nehme ich eine coole Haltung ein, rutsche mit meinem Hintern an die Stuhlkante ran und lege locker meine Arme auf den Tisch. „Was denn?“
Herr Fritz stemmt entrüstet seine Hände in die Hüften, als ich auf frech mache, stützt sein Gewicht auf sein linkes Bein und drückt so sein Gesäß zu Seite weg, presst seine Lippen aufeinander und macht ein Doppelkinn. Er sieht schon ziemlich oberschwul aus, richtig lustig. Den Empörten spielend, mustert er mich schweigend, wirkt aber alles andere als verärgert. „Hieher“, platzt es plötzlich regelrecht melodiös aus ihm raus und er zeigt mit demonstrativ ausgestrecktem Arm auf den zerbrochenen Stuhl, während sich der andere Arm weiterhin an seinem Beckenknochen festhält. Ich kann nicht ernst bleiben und muss grinsen. Herr Fritz erwidert es mit mich anhimmelnden Augen.
„Der Dickmops ist eben zu schwer“, erkläre ich trocken. „Besser wären zwei Stühle, für jede Arschbacke einen.“
„Roorie, du kannst nicht Schuleigentum zerstören. Das geht niiicht. Sonst musst du den Stuhl ersetzen.“
Ersetzen?
„Der war schon kaputt“, verteidige ich mich sofort aufgebracht, was ja auch der Wahrheit entspricht. „Der Fettarsch ist selbst Schuld. Wieso frisst der auch so viel? Ich zahl nix!“
Von völlig unerwarteter Seite erhalte ich plötzlich Hilfe. „Der Stuhl war schon kaputt“, nuschelt Sonja leise.
„Was willst du denn?“ keift Sven meine Sitznachbarin sofort an.
Wütend springe ich auf und balle die Faust. „Halt die Fresse, du mieser kleiner Fettarsch.“ „Halt du die Fresse“, zetert er zurück.
„Halt du sie!“
„Halt du sie!“
„HALT DU SIE!“
„Juhungs, Schluss! Schluss damit.“ Herr Fritz hält nervös seine Arme eingezogen vor der Brust, wie ein Tyrannosaurus. Er nimmt den zerbrochenen Stuhl und gibt Sven dafür einen heilen. „Hört auf, euch zu zaanken. Schluss.“
„Ich werd dir nach der Schule die Fresse polieren“, zische ich dem dicken Jungen zu.
Er tut cool und grinst überlegen, was mich wieder total verärgert.
„Das wirst du schon sehen“, sage ich locker. „Lach nur! Wenn ich dir dein hässliches Gesicht verschönert habe, kannst du dich wieder bei allen Lehrern ausheulen und nach Mami rufen … die wahrscheinlich auch so fett ist und drei Stühle braucht.“
„Lass meine Mutter in Ruhe“, faucht Sven auf einmal mit hochrotem Kopf.
„Schwabbelmutter“, provoziere ich weiter, da ich anscheinend glücklicherweise einen empfindlichen Nerv bei ihm getroffen habe.
Svens Blick wird hasserfüllt.
„Ist das Schwabbelschweinchen böse? Wegen seiner fetten Schwabbelmutter? Och, der Ärmste!“
Hass. Sven kann nichts machen, da ich stärker bin.
„Ich würde mich bestimmt genauso schämen, wenn ich du wäre. Aber glücklicherweise habe ich kein fettes Mopsgesicht.“
„Deine Mutter ist eine alte Krähe“, wehrt er sich.
Hä? Ach so! Er meint wohl Concha. „Wer sagt denn, dass das vorhin meine Mutter war?“
Sven lacht wissend.
Wenn der wüsste, wie gut meine Mutter aussieht! „Elefantenarsch!“ zische ich.
„Elefantenschwanz!“
Obwohl ich mir vorgenommen habe, mich über diese Bezeichnung nicht mehr zu ärgern, setzt sie mir doch zu. Verdammt! Dieser dumme bösartige fette kleine … Bin ich normal?
Nach einiger Zeit beruhigen sich die Gemüter und das Piesacken des Dicken macht mir auch keinen Spaß mehr. Ich langweile mich und gucke zu Sonja.
Das die etwas gesagt hat, ist schon erstaunlich!
Soll ich mich bedanken?
Hm, ne, nicht notwendig! Wüsste auch nicht wie! Kann ihr ja schlecht in die Hose fassen … noch mal!
–
Nur zwei Stunden Schule. Leider hat Concha trotzdem nicht gewartet. Jetzt muss ich Straßenbahn fahren. Natürlich habe ich mich nicht mit Sven geprügelt. Das war nur halbstarkes Getue. Ich darf gar nicht daran denken, was ich bei meinem Vater den lieben langen Tag tun soll. Er wohnt einfach zu weit weg, um sich mit Freunden zu treffen oder einfach raus zu gehen. Ich kenne dort die Gegend ja nicht. Concha ist zu Hause.
„Wie war Schule?“
„Hm.“
„Wiellst du essen?“
„Joah.“ Was soll ich denn sonst auch tun?
Die gleiche Prozedur. Concha macht Nudeln mit Dosengulasch. Abermals schmeckt es mir. Bescheidenheit ist eine Tugend.
Concha isst nix. Stattdessen fragt sie: „Du kannst machen was du wiellst, Rorri, ockay?“
„Okay.“
„Haast du was vor?“
Schulterzucken. „Nö.“
„Hausaufgaben?“
Dafür bin ich zu schlau! „Ne.“
„Hast du keine auf?“
„Ähm, nö.“
„Mööchtest du fernsehen?“
Hm? Eigentlich nicht, aber vielleicht immer noch besser als Nichts zu tun. Schulterzucken. „Kommt denn was?“
„Iech weiß nicht. Wenn nichts kommt, kannst du auch Video gucken.“
Sofort horche ich auf. Video? Video ist Luxus. Videogucken ist etwas ganz anderes als Fernsehen. Im Fernsehen läuft fast nur Mist, außer Sport und Samstagabendsendungen, wie EWG und so. Vor allem am Nachmittag gibt es wohl nichts Schlimmeres. Aber Video? Mit einem Videorekorder kann man jeden Film sehen, den man will. Jeden. Jeden, den man wirklich gut findet. Selbst Filme, die vor zwei Jahren noch im Kino liefen. Ein Wahnsinn! Was für Möglichkeiten! Luxus pur eben und ein langersehnter Traum von mir. Leider haben wir zu Hause keinen Videorekorder. Wir hatten noch nie einen. Ich muss immer darauf hoffen, dass Samstagabend mal ein guter Spielfilm läuft.
„Habt ihr einen Videorekorder?“ frage ich zaghaft nach.
„Sí, aber niecht so viele Filme.“
„Was denn für welche?“
„Vom Winde verweht uuund …“ sie zögert, „irgendeinen Unsinn. Nix für diech.“
Wenig später schaue ich auf eine ziemlich trostlose Sammlung von sieben Videokassetten. Davon sind auch nur vier mit Filmen bespielt. Alte Schwarzweißschinken und ´Vom Winde verweht`, den ich als kleiner Junge gesehen habe. Da kommt, glaube ich, Krieg drin vor. Der amerikanische Bürgerkrieg. Könnte man sich also eventuell angucken. Die Kampfszenen sind aber bestimmt nicht besonders viele, da ich den Film als Schnulze in Erinnerung habe.
Concha muss wohl mein enttäuschtes Gesicht auffallen. „Was mööchtest du sehen?“ fragt sie.
„Wieso?“
„Cag einfach deinen Lieblingsfilm, Rorri.“
„Ööh.“ Mein Lieblingsfilm? „12 Uhr mittags“, antworte ich, weil mir nichts anderes auf die Schnelle einfällt. Der Film ist aber auch sehr gut und eigentlich auch so was wie mein Lieblingsfilm. Ein Held wird von allen im Stich gelassen und muss alleine gegen ´ne Bande Revolverhelden antreten und gewinnt. Wenn das keine gute Story ist!
Den Film kann sich Concha natürlich nicht aus der Jackentasche zaubern. Zu meiner Verblüffung macht sie sich samt Rorilein und Zweitwagen, ein Mini Cooper, auf den Weg in die nächste Videothek. Da ich noch nie in einer war, bin ich entsprechend gespannt. Die Fahrstrecke ist unerwartet kurz. Ein Witz eigentlich. Die Videothek befindet sich drei Häuserecken weiter. Den Weg wäre ich normalerweise nicht mal mit dem Fahrrad gefahren, aber das macht alles nix, denn der Mini ist echt witzig. Diese Form und so klein.
Vor dem Eingang der Videothek lasse ich Concha den Vortritt, da ich mir unsicher bin. Ein dicker Mann steht abgestützt auf seinem Ellenbogen hinter einem Tresen mit einer großen Kasse darauf und glotzt auf einen sehr kleinen Bildschirm. Er begrüßt Concha ganz nebenbei und beobachtet dann weiter den Minifernseher. Ich achte nicht weiter auf ihn, da ich bereits zu abgelenkt bin. Der Anblick, der sich mir bietet, zieht mich in seinen Bann. Filme über Filme. Fantastisch! Erst als ich ihn rufen höre, blicke ich vor einem großen Regal stehend zu ihm zurück.
„Hey, du, Abflug, zackzack.“
Meint der mich?
Seine Augen fixieren mich böse und sein dicker Daumen deutet zur Tür.
Concha stellt sich ihm in den Weg. „Was iest los?“
„Der Junge da, der muss wieder raus.“
„Waruum?“
„Ab 18″, erwidert er knapp.
„Rorri ist 18. Er sieht nur jung aus.“
„Ja, sicher“, spottet der Dicke. „Dann den Perso bitte.“
Plötzlich kommt Concha in Fahrt. „Was redest du?“ keift sie lautstark. „Iest hier ein Sexfilm, oder was?“ Demonstrativ schaut sich die Frau meines Vaters um.
Ich tue es ihr gleich, denn daran habe ich gar nicht gedacht. Hier gibt es vielleicht sogar Pornos. Allerdings sehe ich tatsächlich keine. Concha hat recht. Donald Duck und James Bond starren mich an.
„Deinen Ausweis“, verlangt er völlig sachlich von mir und streckt seine breite dicke Hand aus. Er macht den unübersehbaren Eindruck, dass er die verlorene Zeit bedauert, die er wegen mir vergeuden muss.
Ich habe tatsächlich einen. Der liegt aber zu Hause bei mir auf den Schreibtisch. Verbuddelt unter irgendwelchen Dingen. „Ist zu Hause.“
„Tja, dann tut´s mir leid“, frotzelt er und lässt sich nicht in seiner Meinung beirren.
Concha schießt Blitze auf ihn ab und dreht sich zu mir um. „Was wolltest du haben?“
„Ähm, 12 Uhr mittags.“
„Hast du 12 Uhren miettags?“ schimpft sie den Ladenmenschen an.
Er nickt, deutet weiter kopfnickend zu mir und zur Tür.
„Geh cum Auto, Rorri. Iech hole dir deinen Film“, versichert mir Concha und flüstert ziemlich laut: „Der Dicke hat sie niecht mehr alle“, was der Erwähnte mit einem gekünstelten Räuspern quittiert.
Schade! Bedröppelt drücke ich mit beiden Händen gleichzeitig die Ladentür auf und werfe beim Hinausgehen einen letzten sehnsuchtsvollen Blick ins seitliche Schaufenster. Ein kleines Plakat ist zu sehen. Werbung für einen älteren, etwa drei Jahre alten Film. Sofort drehe ich mich noch mal um, zeige auf das Plakat und rufe zu Concha: „Kann ich den haben?“
Es dauert. Artig warte ich neben dem Mini und glotze wie die Spanier beim Straßenbau Löcher in die Luft. Dann endlich folgt mir Concha. Verwundert schaue ich auf gleich drei Videohüllen, auf denen ´Videoeck` steht.
„Was issen das?“ frage ich nach, als wir im Wagen sitzen.
„Die Filme, die du woolltest.“
„Das waren zwei“, erlaube ich mir zu sagen.
Sie lässt den Motor an.
„Ist der dritte für dich?“
„Sei niecht co neugierig“, schimpft sie auf ihre komisch theatralische Art, guckt gespielt empört und klatscht mir mit der flachen Hand auf den Schenkel.
„Aua.“
„Lass diech überraschen“, tut sie geheimnisvoll, guckt mich dann wieder an und sagt: „Ein Porno, extra für diech.“
Ich erstarre. Das sollte sie nicht machen! Sofort rattern mir die Gedanken durch den Kopf.
Das meint die doch hoffentlich nicht ernst! Oder?
Und wenn doch?
Das wäre nicht gut! Hoffentlich war das ein Scherz! Ich meine … gucken, also einmal angucken ist ja okay … glaube ich. Immerhin habe ich ja schon rumgemacht. Aber niiiemals nicht würde ich so einen Film mit der Frau meines Vaters zusammen angucken wollen. Das darf nicht passieren. Das wäre schlimm!
Abschätzend schaue ich beim Fahren auf Conchas Profil und versuche aus ihrer Mimik die Wahrheit herauszufiltern. Sie verzieht keine Miene und fährt den Mini bereits vor die Haustür.
–
Einen Videorekorder habe ich mir komplizierter vorgestellt. Er sieht aber gar nicht so aus. Viel mehr scheint er im Grunde genommen so was wie ein Kassettenrekorder zu sein, nur eben für Videos. Es gibt eine Playtaste, Vor- und Rückspulen, Rec. usw. Trotzdem gehe ich nicht an die Anlage, überlasse das Concha. Gespannt und aufrecht sitze ich artig auf dem fremden Sofa, rangerutscht an die Armlehne, auf der ich meinen rechten Arm abgelegt habe. Normalerweise würde meine Füße ebenfalls auf sie Sitzfläche legen, aber nicht hier. Ich habe Concha gesagt, welchen Film ich sehen möchte. Die soll bloß nicht diesen Sexfilm einlegen!
Es geht los. Der richtige Film. Wahnsinn! Ein Traum wird wahr. Pompöse Musik. Ein langer Schriftzug läuft von vorne nach hinten durchs Bild. Das Imperium schlägt zurück. Der Film wird der Hammer, ganz bestimmt!
Ohne meine Haltung zu verändern, verfolge ich gebannt jede Szene im Fernseher. Ich kann es nicht fassen. Raumschiffe fliegen durch die Galaxis und es sieht total echt aus. Fantastisch! Dann greift das Imperium mit gigantischen Gehern an. Phänomenal! Der Film ist unfassbar gut. Ich nehme meine Umwelt nicht mehr wahr, bis plötzlich Concha von der Seite eine Schale direkt vor mir auf den Tisch stellt. Sie füllt Chips ein. Oh, gut! Dann bekomme ich noch Coca-Cola. Eine ganze Literflasche für mich allein. Nur ganz kurz richte ich meinen Kopf zu ihr und bedanke mich. Sie verlässt den Raum. Will sie denn den Film nicht auch sehen? Sie sieht doch, wie super der ist!
Seltsam! Meine Mutter würde den wahrscheinlich auch nicht sehen wollen. Lieber Schnulzen oder so. Dafür fehlt mir das Verständnis. Wenn die es nur mal versuchen würden, wären sie sicher auch so begeistert wie ich. Selbst Schuld!
Der Film ist tatsächlich der Oberkracher, für mich. Ich merke gar nicht, wie ich allmählich mit den Beinen aufs Sofa rutsche, sie anwinkele und mir die Schale mit Chips auf der freien Stelle vor meinem flachen Bauch stelle. Wie von selbst esse ich. Ab und zu spüle ich den würzigen Geschmack im Mund mit Cola weg. Ganz nebenbei registriere ich, dass Concha sich zu mir gesetzt hat, da ihre Hand auf meinem Fußgelenk liegt. Von mir aus! Stört nicht weiter. Statt meinen Fuß eventuell wegzuziehen, versuche ich mir einen ganzen Batzen Chips auf einmal in den Mund zu stecken. Mein Kopf liegt weit im Nacken, damit keine kleineren Krümel daneben fallen und meinen Mund habe ich weit aufgerissen, ohne die Augen von der Flimmerkiste abzuwenden. Schließlich kommt gerade das Finale. Darth Vader besiegt Luke Skywalker und schlägt ihm die Hand ab. Ein Glück! Das wäre sonst zu einfach gewesen, richtig doof, wenn Luke den Superbösewicht besiegt hätte, da er ja noch nicht zum Jedi-Ritter ausgebildet wurde. Der Film endet.
„Uund? Iest der Film gut?“ will Concha wissen.
„Boah, und wie!“
„Wiellst du noch gucken?“
„Joah.“ Mir bleibt ja nix anders übrig.
„12 mal am Mittag oder einen anderen?“
Auf 12 Uhr mittags habe ich keine große Lust nach diesem Science-Ficton-Spektakel. „Was hast du denn noch?“
„Eine Überraschung.“
Der Porno! O je! Mir stockt der Atem.
Concha greift zur Videohülle und legt den Film ein.
Also … bei dem Film kann sie ruhig verschwinden! Chips krümeln aufs Sofa.
„Vielleicht er gefällt dir“, grinst Concha und setzt sich zu meinem größten Bedauern wieder zu mir. O je!
Das ist mir unangenehm. Ich will nicht mit Concha einen Sexfilm gucken. Auf das Schlimmste gefasst, schaue ich zum Fernseher. Der Film beginnt und sofort stutze ich. Die drei heiligen Könige erscheinen, ich erkenne die sofort, und suchen das Jesuskind auf. Das kann doch kein Porno sein, oder!? Fragend schaue ich zu Concha.
„Was iest?“
„Ähm, was … das … was issen das?“ traue ich mich zu fragen und gluckse, um meiner nächsten Frage einen kumpelhaften Touch zu verleihen: „Ein Porno?“
„Was denkst du?“ zetert Concha gespielt und schubst mich gegen den Oberarm. „Wiellst du etwa einen sehen?“
„Nein!“ erwidere ich umgehend und fühle mich irgendwie ertappt.
Es scheint so, als ob es sich um einen Bibelfilm handelt. Allerdings wirkt er irgendwie skurril. Die drei Könige haben sich im Stall geirrt und ein falsches Kind aufgesucht. Dazu krächzt die angebliche Jungfrau wie eine Furie mit einer seltsamen Stimme. Hört sich verstellt an. Auch sieht die mehr wie ein verkleideter Mann aus. Dann wird der Titel angezeigt: Das Leben des Brian.
Ganz leicht hebe ich eine Augenbraue. „Hä? Ist das ein Witz?“
Concha grinst.
„Was ist denn das für ein … Film?“
„Iech habe keine Ahnung“, gesteht sie.
Kein Porno also! Gut! Dann hat sie also einen Spaß gemacht!
Der Film allerdings ist alles andere als spaßig, obwohl er scheinbar so etwas wie eine Komödie sein soll. Jedenfalls kann ich mit ihm nichts anfangen. Es scheint eine Veralberung der Jesusgeschichte zu sein. Die Hauptfigur namens Brian wird jedenfalls mit Jesus verwechselt. Der Brian ist zwar ernst dargestellt, aber die anderen Schauspieler sind viel zu albern. Sie reden von Skifahrern, was nun wohl überhaupt nicht in diese Zeit passt und verstellen mit Absicht auf übertriebene Weise ihre Stimmen, um wohl besonders lustig zu sein. Dann scheinen ein und dieselben Schauspieler auch verschiedene Rollen zu besetzen und man merkt das auch noch total. Was für ein Mist!
Nach und nach werde ich immer genervter. Concha zu Liebe gucke ich weiter, da sie ihn extra für mich ausgeliehen und bezahlt hat. Ihr Scherz soll schließlich nicht umsonst gewesen sein. Concha macht allerdings ebenfalls keinen besonders erfreuten Eindruck und verlässt dann auch das Zimmer. Ich ziehe die Beine wieder an und konzentriere mich auf Chips und Cola, beachte nur noch mit einem Auge den Schund. Brian flieht gerade vor den Römern auf einen Turm.
„Hoffentlich stürzt er ab und stirbt“, rede ich zum Fernseher. Dann wäre der Film wenigstens zu Ende!
Zu meinem Erstaunen tut er es und stürzt in die Tiefe. Allerdings wird er von einem vorbei fliegenden Ufo aufgefangen, so dass er nicht aufschlägt und stirbt. Die Szene ist so abgedreht, dass ich nun doch wieder genauer hinschaue. Brian sitzt auf dem Rücksitz des Raumschiffs hinter zwei ulkigen Außerirdischen. Die Aliens sind so witzig, dass ich kurz auflache. Danach schaue ich den Film etwas unverkniffener. Als Kreuze für eine anstehende Kreuzigung verteilt werden und die beiden Kerkermeister reden, kommen mir sogar vor Lachen die Tränen. Ein Kerkermeister stottert ganz schrecklich und der andere ist verrückt und redet nur Unsinn. Die Szene ist so lustig, dass ich mir den Bauch halte und nach vorne kippe. Um mich abzustützen, reiße ich meine Hand nach vorne. Zu schnell. Ich haue sie mir am schweren Holztisch an. Trotzdem lache ich weiter, halte mir nebenbei vor Schmerz die Hand und lasse mich rücklings auf die Sitzfläche des Sofas fallen. In dem Moment bemerke ich, dass Concha wieder da ist und sich setzen will. Ihr Hintern bewegt sich auf meinen Kopf zu.
„Aaah!“
„Rorri!“ Gerade so eben stoppt das Gesäß und nimmt neben meinem Kopf platz.
Schmunzelnd gucke ich im Liegen den Film zu Ende und nehme Conchas Blicke nicht wahr. Der Streifen endet genau so unsinnig, wie er begonnen hat. Die Gekreuzigten singen ein allerdings gar nicht mal so schlechtes Lied und pfeifen fröhlich dabei. Ich muss noch an den irren Kerkerfritzen denken, gluckse und kichere im Liegen.
„War gut?“
„Ging so“, antworte ich, mir Tränen aus den Augen reibend.
–
Mein Vater kommt erst ziemlich spät nach Hause. Dank Concha war der Tag nicht so schlimm, wie befürchtet. Die Videos haben mir die Zeit vertrieben. Nach dem Duschen, Concha und mein Vater betreten wohl extra den Flur nicht, damit ich ungestört zwischen Bad und meinem Schlafraum hin und her gehen kann, mummele ich mich in die Bettdecke. Meine Hände schiebe ich in die Schlafanzughose. Zeit, mal wieder zwischen den Beinen etwas zu unternehmen. Jedenfalls habe ich große Lust, zu onanieren. Ich tue es und wenig später halte ich meinen Steifen in den Händen. Wohltuend. Leider stellt sich ein Problem ein. Masturbieren macht zwar Spaß, aber wenn ich damit mal angefangen habe, habe ich auch den fast unerträglichen Drang unbedingt abspritzen zu müssen. Ansonsten wäre ja auch irgendwie alles für die Katz. Leider kann ich das im Bett aber nicht. Will ja nichts vollsauen! Ich muss wieder ins Bad. Vielleicht hätte ich vor dem Duschen schon onanieren sollen? Dann hätte ich unter der Dusche nur noch wenig nachhelfen müssen und ich wäre erlöst.
Geh doch noch mal!
Lieber nicht!
Die nehmen doch Rücksicht! Vielleicht wissen die nicht, dass du schon im Bett liegst!
Hm, das könnte sein!
Mit beträchtlicher Erektion, sie bildet eine mehr als deutliche Beule in meiner schlabberigen Schlafanzughose, steige ich aus dem Bett und schleiche zur Tür. Leise öffne ich sie und lausche Richtung Wohnzimmer, wo ich die beiden vermute. Aus einer für mich völlig unerwarteten Richtung, der Küche, erscheint plötzlich Concha. Erschrocken zucke ich zusammen und mein Lümmel baumelt hin und her.
„Rorri, que pasa?“
„Nix.“ Hastig rumse ich die Tür vor Conchas Nase zu und schlüpfe eilig ins Bett.
So ein Mist! Hoffentlich hat die nichts bemerkt!
Abwartend gucke ich zur Tür.
Gleich kommt sie wieder rein! Bestimmt! Zum Ablecken!
„Ah, Roori, was war das denn?“ ahme ich flüsternd Concha nach. Ein schlechter Versuch. Es ähnelt mehr Herrn Fritz. Egal. Um meinen Worten noch Nachdruck zu verleihen, nehme ich meinen vergrößerten Penis in die Hand und wackele ihn in meiner Hose hin und her. „Hast du eine Banane aus der Küche stibitzt? Komm, zeig doch mal. Darf ich abbeißen? Ooh, jaaah!“
Concha erscheint nicht.
Ist sie weg? Soll ich jetzt vielleicht weitermachen? Einerseits möchte ich so gerne, so unendlich gerne, aber andererseits ist es superdoof ohne Orgasmus, sozusagen unbefriedigend. Ich müsste schon ins Bad. Kann ja schlecht ins Bett wichsen! Das würde man merken. Ablenkung muss her. Ich muss mir andere Gedanken machen. Wie bestrafe ich mal am besten meine Mutter?
Meckern, wäre gut!
Besser gleich schreien!
Ne! Ne, das kann ich nicht einfach so aus dem Stehgreif!
Vielleicht etwas kaputt machen, Klimbim oder so?
Quatsch!
Dann hau ihr auf den dicken Arsch!
Hm, habe ich doch schon, geboxt! Die hat das, glaube ich, gar nicht gemerkt! Ihr Hinterteil ist zu groß!
Verstohlen grinse ich in die Bettdecke hinein und lege wie automatisch meine Hände in den Schritt. Meine Genitalien fühlen sich super an. Weich, warm und der Schwanz wächst schon wieder. Eigentlich fühlt er sich richtig gut an. Für mich.
Wie das wohl bei einem normal großen Schwanz ist? Besser? Bisher hat sich keine beschwert!
Ich spiele.
Alle Frauen haben sich ficken lassen!
Schnelleres Rubbeln.
Wie sich das gehört! Es hat ja auch immer gepasst! Schwanz in … Mumu!
Ich kichere. So wurde in dem Film ´das Leben des Brian` zur Möse gesagt. Mumu. Im Gedanken stelle ich mir eine vor. Dicke Schamlippen, innere Schamlippen. Mein Schwänzchen hat jedenfalls Lust. Mir wird immer wärmer.
Stopp, Rory! Nicht im Bett! Denk wieder an Mama!
Ja, okay! Wo war ich stehengeblieben? Ihr fetter Arsch!
Halt! Denk nicht so über sie! Außerdem ist er nicht fett! Groß, aber nicht fett!
Eigentlich ist er … super!
Unter ihrem Nachthemd wölbt sich der Hintern meiner Mutter jedenfalls ziemlich prächtig. Wie er wohl nackt aussieht? In voller Pracht?
Ich kann nicht aufhören, zu wichsen. Meine Atmung wird schwerer.
Wie es wohl ist *schluck* … es ist … seine eigene Mutter zu …
*klopf-klopf*
Ruckartig hebe ich den Kopf und lasse unten los. Gerade noch rechtzeitig. Jetzt nur nicht bewegen, sonst mache ich doch noch alles nass. Concha guckt herein.
Wie lange steht die da denn schon?
„Alles gut?“
„Joah“, antworte ich noch etwas keuchend.
Nein! Sie kommt herein. Ich muss nicht mehr in die Heia gebracht werden! Verschwinde! Hab keine Zeit!
Sie ignoriert meine Gedanken. „Iest bequem?“ fragt sie von der Bettkante aus.
„Hm.“
Wir gucken uns schweigend an.
Was ist denn nun?
Jetzt hat sie gehört. Oder? Ihre Hand bewegt sich. Sie verschwindet unter meiner Decke.
Hoppla!
Lass das nicht zu, Rory Brian! Dein Schwanz ist hart!
Ich, äh, aber …!
Conchas sehr schlanke Hand berührt meinen Bauch.
Tu was!
Was denn? Soll ich sie etwa anschimpfen?
Ja!
Neee! Sie war heute total gut zu mir!
Und deshalb lässt du dich betatschen?
Sie macht doch gar nix!
Tatsächlich ruht ihre Hand nur zwischen Decke und Schlafanzug. Abermals treffen sich unsere Blicke. Bemerkt sie meine Furcht? Wenn Conchas Hand tiefer gleitet, würde sie meine Erektion bemerken. Ich bin noch so unsagbar aufgegeilt. Mamas Schuld. Große reife Pobacken.
Denk an was anderes, sonst wird dein Schwanz nie mehr kleiner!
„Geht es dir gut?“
Ja und nein! Ich habe böse Gedanken. Denke an Mama und wie es zwischen ihren Pobacken aussieht. Hat Mama Schamlippen? Oh, Gott!
Mein Penis ist steinhart.
Bemerkt Concha, dass sie einen brünstigen Jungen vor sich liegen hat?
Mütter merken so was! Und sie ist ja so was wie meine Mutter!
Aber sie hat keinen Arsch in der Hose!
Aber anfassen könnte sie!
Mein Brustkorb bewegt sich nervös auf und ab.
Nein, ich will das nicht! Oder?
Abwegige Vorstellung. Sie würde so was niemals tun, die Frau meines Vaters. Ich bin der Sohn. Huch!
Concha regt sich. Ihre Hand wandert. Nach unten. O je!
Tu das nicht!
Doch tu das!
Neiiiin!
Dann sag schnell was!
Conchas „Oh“ kommt zeitgleich zu meinem „Ähm“, als ihr Handgelenk meinen aufrechten Penis streift. Dann schweigen wir wieder, als sich ihre Hand knapp unterhalb meines Hodensacks absenkt. Ihre Finger drücken sich etwas zwischen meine Schenkel. Fingernägel pieksen etwas. Ich schlucke.
Sie hat ihn berührt!
Unabsichtlich!
Wer weiß!
Das drück ihn doch zu ihrer Hand hin, du Wicht!
Nein! Ich glaube, ich will das nicht. Ich bin nur geil, deshalb würde ich im Moment Berührungen zulassen. Danach würde ich es ziemlich bedauern.
Sie hat deinen Dödel berührt!
Ja, aber … das war doch ein Versehen! Oder?
Erzähl ihr was!
Was denn?
Das du das nicht willst!
Aber das war doch keine Absicht und sie macht doch auch gar nichts mehr!
Ihre Hand ist bedrohlich nah. Weil Concha so cool heute war, sage ich nichts und lasse sie beinah meinen Hodensack berühren. Sie tut es aber nicht. Nur fast eben. Küsschen hier, Küsschen da noch, ableckt rechts, abgeleckt links. „Gute Nacht, Rorri!“
„Nacht“, grummele ich zurück.
Die anschließend zu lauten Geräusche bei Conchas Liebesspiel stören diesmal nicht so sehr.