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Miriam umarmt den besten Freund ihres Bruders

Montag.

Ich komme am Haupteingang der alten Oberschule an. Um mich herum ein Schleim von Mittelstufen-Schülern. Laut kreischend, sich überschwänglich begrüßend, Jungen umarmen Mädchen schüchternd, Mädchen umarmen sich gegenseitig mit schillerndem Lachen, Jungen begrüßen sich mit gekonnt lässigen Handschlägen.

Und fast alle waren bereits größer als ich. Ich hätte die Gene meines Vaters erben sollen.

In der Menge entdecke ich den besten Freund meines Bruders. Das genaue Gegenteil vom Sprüche klopfenden, machohaften Max.

Ruhig, bedacht, mit schlauem Humor. Im einen Moment selbstsicher, wie wir Abschlussklässler, im nächsten so schüchtern und zurückhaltend wie ein 7.-Klässler.

Manchmal würde er mich freundschaftlich necken, auf intelligente Weise. Ich, angetan von seinem verschmitzten Lächeln würde kontern und er würde rot im Gesicht und schaute betreten zu Boden. Es macht mir Spaß diese Reaktion bei ihm hervorzurufen.

Für ihn bin ich wohl so etwas wie die „unberührbare große Schwester“.

Selten erwischte ich ihn dabei zu starren, woraufhin er sich blitzschnell an der nächstbesten Unterhaltung beteiligen würde und den Rest des Abends nicht wagen würde, in meine Richtung zu gucken.

Aus diesem Grund begann ich ihn wenn ich ihn sah immer überschwänglich zu begrüßen.

Anfangs wurde er sofort rot und erwiderte meine stets herzhafte Umarmung nur zaghaft. Nach einem Jahr jedoch war diese Begrüßung wie eine Art Ritual zwischen uns geworden.

„Tiiiiiiiimmmmm!“, rufe ich, während ich auf ihn zu laufe.

„Miriiiiiii!“, erwidert er, augenscheinlich erfreut, ein bekanntes Gesicht zu sehen.

Er schließt mich in seine Arme und ich lege meinen Kopf an seine Brust, als hätte ich ihn seit Jahren nicht gesehen. Und als wäre unsere einzige Verbindung nur die gelegentlichen Besuche – und eben die Umarmungen.

Nach einigen Sekunden halbgespielter Zuneigung lockere ich meine Arme, woraufhin er das Gleiche tut. Ich begebe mich ins Schulgebäude.

Dienstag.

„Tiiiiiiimmm!“, rufe ich, während ich auf ihn zu laufe.

Sein „Miriiii!“ vergeht schnell, sein Blick bleibt für zwei Sekunden auf meinen in schwarzen Strumpfhosen bekleideten Beinen hängen, während der den Mund noch nicht ganz geschlossen hat, doch ich habe ihn bereits erreicht und umarme ihn herzhaft.

Seine Umarmung ist ein wenig zögerlicher.

Ich lächle in mich hinein. Wer hätte gedacht, dass ein knielanger Faltenrock und eine Strumpfhose ihn bereits aus der Fassung bringen können…Und wer hätte gedacht, dass diese Reaktion mir immer noch so sehr gefällt.

Ich lockere meine Arme, woraufhin er das Gleiche tut. Er hat sich gefangen und sieht mir bewusst direkt in die Augen.

„Max war vorhin noch hier, ich glaube du hast ihn verpasst oder so.“, sagt er um mich, nur für den Fall ich hätte seinen Blick-Rutscher gesehen, auf neue Gedanken zu bringen.

Charakteristisch für Tim. Leider für ihn kenne ich ihn schon zu gut.

Wenn er wüsste, dass mich die gelegentlichen Blicke nicht störten… Ganz im Gegenteil.

Mittwoch.

Umsonst habe ich mir wieder Rock und Strumpfhose angezogen.

Wo ist Tim?

Donnerstag.

Ungewöhnlich ist es zwar nicht, dass Tim und ich uns mehrere Tage nicht sehen, diesmal fällt es mir jedoch unangenehm auf.

Ich habe umsonst draußen in der Kälte gefroren. Morgen gibt’s wieder Jeans.

Freitag.

„Tiiiiiiim!“, rufe ich, während ich auf ihn zu laufe.

„Miriiiii!“ erwidert er, unbeirrt lächelnd, und schließt mich in seine Arme.

Ich hätte vielleicht doch den Rock anziehen sollen?

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